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Projekt 2: Was tun mit dem Gesagten?

Das vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) unterstützte Projekt "Was tun mit dem Gesagten?" dauerte von Oktober 2006 bis März 2008 und stand unter der Leitung von Klaus Petrus.



Der Hintergrund

In der Diskussion über die Rolle des Gesagten für die Bedeutung einer Äusserung sind immer wieder zwei Annahmen im Spiel, die mehr oder weniger stillschweigend akzeptiert werden.

Die eine gründet auf John Austins Unterscheidung zwischen lokutionären und illokutionären Akten und besagt, dass letztere kommunikative Handlungen sind. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass sich der Stellenwert des lokutionären Gehalt (i.e. des Gesagten) für die Gesamtbedeutung einer Äusserung auch daran bemisst, welchen Beitrag er zum Gelingen solch kommunikativer Akte leistet.

Wie schon in früheren Arbeiten, versuche ich in „Strawson, Austin & Grice“, „Convention and Intention in Speech Acts Revisted“ sowie in „Illocutions and Perlocutions“ darzulegen, dass illokutionäre Akte keineswegs auf Verständigung angelegt sind und die von Kontextualisten gerne ins Feld geführte These, wonach das Gesagte Teil des kommunikativen Gehalts einer Äusserung sei, somit jeder Grundlage entbehrt (mehr dazu hier).

Die zweite Annahme ist grundlegender Art und betrifft die Semantik/Pragmatik-Unterscheidung. Auch hier wird ein bestimmtes (und oft sehr heterogenes) Verständnis dieser Dichotomie allermeist vorausgesetzt, doch nur selten expliziert (mehr dazu hier).

In „Was tun mit dem Gesagten?“ (Kap. 1 und 2) sowie „Sagen & Implikieren aus kontextualistischer Sicht“ versuche ich, dieses Defizit zu beheben.

Konkret gehe ich von der traditionellen Auffassung aus, derzufolge Gesagtes der Semantik, das Gemeinte aber der Pragmatik anzurechnen ist. Auf diesem Hintergrund werden zwei zentrale Merkmale des Gesagten spezifiziert, nämlich:

  1. Gesagtes ist propositional
  2. Gesagtes ist strikt vom Gemeinten zu unterscheiden

Damit wird die Brisanz des Problems der subtilen Kontextabhängigkeit natürlichsprachlicher Ausdrücke besser sichtbar (das oft diskutierte Problem der semantischen Unterdeterminiertheit ist bloss eine Facette der subtilen Kontextabhängigkeit).

Denn dieses Problem besteht darin, dass das mit (den meisten) Sätzen Gesagte selbst nach Desambiguierung und Bezugsbestimmung indexikalischer Ausdrücke keine Proposition ergibt. Damit das Gesagte wahrheitswertfähig ist, muss der besagte Satz vielmehr kontextuell ergänzt werden – er muss entweder „vervollständigt“ oder „angereichert“ werden –, und dies ist nicht möglich, ohne auf das vom Sprecher mit der Äusserung Gemeinte zu achten.

Mit anderen Worten lassen sich 1) und 2) nicht zugleich vertreten; will man an 1) festhalten (und die meisten der an der Debatte Beteiligten tun dies), so hat man 2) aufzugeben, bzw. einzuräumen, dass das mit einer Äusserung Gesagten ebenfalls ‚bloss’ eine Facette des damit Gemeinten ist.

Pro und contra Kontextualismus

Genau darin besteht die Grundüberzeugung der sog. Kontextualisten; Gesagtes weist nicht bloss Merkmal 1) auf, sondern auch:

3. Gesagtes ist Gemeintes

So plausibel die Gründe für 3) auf Anhieb sein mögen, die Kontextualisten sind mit ernsthaften Problemen konfrontiert. Eines davon betrifft – wie ich in „Sagen & Implikieren aus kontextualistischer Sicht“ ausführe – die Unterscheidung zwischen Gesagtem und Implikiertem und kommt v.a. dort zum Ausdruck, wo wir es mit Fällen der „Erweiterung“ zu tun haben, so etwa im folgenden Satz (die Erweiterung steht in eckigen Klammern):

i) Linus und Lena sind [MITEINANDER] verheiratet

Obschon i) auch ohne Erweiterung eine Proposition ausdrückt, ist diese Proposition doch nicht dasjenige, was eine Sprecherin (normalerweise) mit i) meint; die von ihre Gemeinte Proposition ergibt sich erst nach der besagten Erweiterung, womit das mit i) Gesagte sowohl 1) wie auch 3) erfüllt.

Das Problem besteht nun darin, dass das auf solche Weise erweiterte Gesagte sich nicht mehr von (konversationalen) Implikaturen unterscheiden lässt. Abgesehen davon, dass auch Implikaturen eine Variante des vom Sprecher Gemeinten darstellen, sind sie u.a. dadurch charakterisiert, dass sie im Prinzip „stornierbar“ sind; exakt dieses Merkmal weisen jedoch auch Erweiterungen auf, denn es ist durchaus möglich zu sagen, dass Linus und Lena verheiratet sind, aber nicht miteinander.

In dem bereits erwähnten Aufsatz sowie in „Was tun mit dem Gesagten?“ (Kap. 7 und 8) diskutiere ich einige Konsequenzen, die sich aus dieser Einsicht ergeben.

Eine Möglichkeit besteht darin, Erweiterungen dem Bereich der Implikaturen anzurechnen. Allerdings hätten wir es dann zum einen mit Sätzen zu tun, bei denen das damit Gesagte 1) und 3) erfüllt, zum anderen aber mit Sätzen, die zwar eine Proposition ausdrücken, jedoch nicht die von der Sprecherin gemeinte; folgerichtig würde z.B. mit i) (ohne Erweiterung) nichts gesagt, was indes reichlich kontraintuitiv anmutet.

Eine andere Option besteht darin, Erweiterungen (sowie Vervollständigungen!) als genuine Bedeutungskomponenten aufzufassen und (mit Kent Bach) als „Implizituren“ zu bezeichnen. Nebst dem mit einer Äusserung Gesagten gäbe es entsprechend noch den Bereich der Implizituren sowie der (griceschen) Implikaturen. Das allerdings würde darauf hinauslaufen, dass wir von der weitherum geteilten Annahme abrücken müssten, dass Gesagtes propositional ist.

Wörtlichgesagtes, Mitgesagtes, Gesagtes

Sowohl in „Sagen & Implikieren aus kontextualistischer Sicht“ als auch in „Was tun mit dem Gesagten?“ (Kap. 8 bis 10) erwäge ich im Anschluss an einige Überlegungen von Andreas Kemmerling eine dritte Möglichkeit.

Sie nimmt ihren Ausgang in einer Kritik an der Auffassung, dass Implizituren (i.e. Vervollständigungen und Erweiterungen) propositional sind. Genau genommen handelt es sich hierbei nämlich um Propositionsfragmente, die in Gestalt des „Mitgesagten“ zu dem mit einer Äusserung Wörtlichgesagten hinzukommen und so das damit Gesagte ergeben.

Der entscheidende Vorteil dieses Vorschlags besteht darin, dass sich Mitgesagtes – im Gegensatz zu den Implizituren – problemlos vom Implikierten abgrenzen lässt; letzteres ist klarerweise wahrheitswertfähig, ersteres dagegen ist ‚bloss’ ein Propositionsfragment. Zudem entgeht man auf diese Weise dem obgenannten Problem der Kontextualisten, demzufolge wenigstens zwei Typen von Aussagesätzen zu unterscheiden sind. Denn Gesagtes ist in der von mir favorisierten Konzeption nicht bloss in jedem Fall propositional, sondern immer auch das vom Sprecher Gemeinte.

Vor diesem Hintergrund versuche sich in „Was tun mit dem Gesagten?“ (Kap. 9 und 10) zumindest in groben Zügen aufzuzeigen, wie sich die Unterscheidung zwischen Wörtlichgesagtem, Mitgesagtem und Gesagtem sprechakttheoretisch deuten lässt.

Stark vereinfacht, wird das mit einer Äusserung Gesagte mit dem lokutionären Gehalt identifiziert; das Gesagte hingegen ist – nebst der illokutionären Rolle – Teil des sog. Sprechaktgehalts. Die Dimension des Mitgesagten schliesslich betrifft jene Bedeutungskomponente, die mit einer Äusserung mehr oder weniger explizit ausgedrückt wird, wobei hier unterschiedliche Stufen der Explizitheit zu unterscheiden sind.

In jedem Fall aber ergibt dasjenige, was per Interpretationsverfahren explizit gemacht wird, zugleich das, worauf sich ein Sprecher mit der Äusserung eines Aussagesatzes festlegt. Sogesehen ist das Gesagte letztlich nichts anderes als der Gehalt von Sprechakten, die generisch gesehen als Akte des Sicht-Festlegens bezeichnet werden können.

Semantik, Metasemantik, Pragmatik

Diese sprechakttheoretische Deutung der besagten Unterscheidung hat im Übrigen auch Auswirkungen auf die Semantik/Pragmatik-Unterscheidung. Abermals verkürzt gesagt, ergeben sich bei der Bestimmung der Gesamtbedeutung einer Äusserung nämlich wenigstens vier Fragen:

  • Wie wird der lokutionäre Gehalt einer Äusserung festgelegt?

Sie zu beantworten, ist Aufgabe der (linguistischen) Semantik, und zwar unter Rückgriff auf den sog. „engen Kontext“ (i.e. Fälle von Indexikalität, Ambiguität etc.)

  • Wie wird der illokutionäre Gehalt einer Äusserung festgelegt?

Sie zu beantworten, ist zum einen Aufgabe der (im Sinne von David Kaplan) Metasemantik, und zwar verstanden als eine Disziplin, die erklärt, wie Informationen des engen Kontextes mit Informationen des „weiten Kontextes“ (Äusserungsumstände, Hintergrundannahmen etc.) systematisch aufeinander bezogen werden; sie zu beantworten, ist zum anderen freilich auch Aufgabe einer Theorie des Gemeinten. Beide Bereiche gehören der Pragmatik im engeren Sinne an.

  • Wie wird die illokutionäre Rolle einer Äusserung festgelegt?

Sie zu beantworten, ist Aufgabe einer Theorie illokutionärer Akte, und zwar als Teilgebiet der Pragmatik im weiteren Sinne.

  • Wie wird das Implikat einer Äusserung bestimmt?

Sie zu beantworten, ist Aufgabe einer Theorie der Implikaturen (Konversationstheorie) und gehört in den Bereich der Pragmatik im weitesten Sinne.

Im neuen Projekt Meaning & Context wird es nun insbesondere um jenen Bereich gehen, für den die Metasemantik zuständig ist.



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